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Motivation und Strategie

Klingt selbstverständlich…

Transalp München Riva - Motivation

ist es aber nicht. Die Motivation und Strategie muss stimmen für die Tour sonst wird es schwierig. Vor allem in den frühen Morgenstunden hatte ich sehr stark mit dem Durchhaltevermögen zu kämpfen.

Sicherlich gibt es ohnehin eine Grundmotivation wenn man 6 Monate auf ein konkretes Event hintrainiert. Nichts desto trotz sind die Anstrengung und Müdigkeit ein starker Gegenpol. Ich bin froh die Tour zusammen mit einem guten Freund gefahren zu sein, da man sich in solchen Momenten wieder gegenseitig motivieren kann. Zu wissen wie der andere tickt ist ein großer Vorteil. Wir hatten beide unsere Momente, v.a. zwischen Bozen (5:30Uhr) und Trento (8:00Uhr). Ich bin mir nicht sicher ob man durchgezogen hätten, wäre man alleine gewesen. 

Trotzdem  ist es meiner Meinung nach nicht verkehrt sich vor der Tour noch mal seiner eigenen Motivation bewusst zu werden. Warum tue ich das? Bei mir war es relativ einfach. Nach meiner Operation im Januar wollte ich mir beweisen, dass so was (noch) geht. Dazu kommt die Tatsache, dass sonst all die Trainingseinheiten und Vorbereitungen umsonst gewesen wären und der einmalige Slot (siehe Aufenthalt und Rücktransfer) in dieser Form nicht noch einmal kommt.

Für mich persönlich haben diese Motivationsfaktoren gereicht gegen Müdigkeit und Knieschmerzen zu kämpfen und die Tour zu Ende zu bringen. Oft genug habe ich jedoch während der Fahrt darüber nachgedacht. 

Pausenstrategie

Wir haben uns darauf geeinigt nach jeweils 50 km eine Pause zu machen. Wichtig ist bei einer solchen Distanz niemals in den Bereich zu gelangen wo die  Kohlenhydratereserven aufgebraucht werden (Hungerast). In Kombination mit Erschöpfung und Müdigkeit kann es das Ende der Tour bedeuten, weil man nur schwierig aus dem Modus wieder rauskommt.

Um bei diesen Punkt auf der absolut sicheren Seite zu sein, haben wir uns dazu entschlossen lieber einmal mehr als zu wenig Pause zu machen. Bei 390 km bedeutet dies, dass es ca. 7 Pausen gibt. Von diesen 7 Pausen haben wir festgelegt, dass es eine längere Pause (ca. 1h) gibt, bevor es in die Nacht geht und die anderen Pausen nach Möglichkeit nicht länger als 15 Minuten sind.

Die Pausenplanung ist sicherlich auch stark typbedingt. Wir beide ticken da glücklicherweise relativ gleich und empfinden lange Pausen eher so, dass sie einen aus dem Rhythmus bringen und es nach der Pause einiger Anstrengung bedarf wieder reinzukommen. 

Auch wurde nicht in jeder Pause etwas Großes gegessen. Mal wurde die Zeit für Veränderungen an der Bekleidung genutzt, mal wurde nur ein Riegel gegessen. In jedem Fall aber haben wir uns kurz miteinander verständigt; Wie es bei dem anderen aussieht und was auf den nächsten 50 km zu erwarten ist. Da man prinzipiell eher hintereinander fährt, waren das die wenigen Momente wo wir uns austauschen konnten.

Dies war unsere Strategie, also Theorie. Natürlich hat auch das nicht ganz so geklappt wie geplant, aber es ist nicht schlecht einen Leitfaden zu haben an dem man sich während der Fahrt orientieren kann.

Verpflegungsstrategie

Die Strategie zur Nahrungsaufnahme ist sehr stark davon abhängig um wie viel Uhr gestartet wird. In unserem Fall, 14:00Uhr ab München bedeutet das, ca. 19:30Uhr Schwaz im Inntal, ca. 00:00Uhr Brenner, ca. 5:00Uhr Bozen, ca. 7:30Uhr Trento (theoretisch).

Da wir uns für die Alte Römerstraße (Auffahrt Brenner ab Innsbruck) entschieden haben bedeutete dies, dass es quasi zwischen Innsbruck und dem Trentino keine Möglichkeit der Einkehr gab, selbst Tankstellen mit kleinen SB Shops die geöffnet hatten gab es nicht. Es hätte anfangs auf der Alten Römerstraße noch die Möglichkeit gegeben in einem der Wirtshäuser (Aldrans, Lans, Patsch) einzukehren. Das muss allerdings jeder selber wissen, wie er darauf reagiert während einer Auffahrt groß zu essen. Wir haben uns entschieden ca. 30 Minuten vor Start Auffahrt Brenner (Schwaz im Inntal) zu speisen, damit entsprechende Kohlehydrate im richtigen Moment abrufbar sind.

Diese Begebenheit ist definitiv ein Thema bei der Tour. Egal um welche Uhrzeit gestartet wird, es wird sehr wahrscheinlich immer einen Zeitraum geben, in dem man auf seine eigene Verpflegung angewiesen ist.

Um uns eine gewisse Flexibilität für den Abfahrtszeitpunkt offen zu halten haben wir uns entschieden, dass jeder für sich genug Verpflegung dabei hat um die Tour notfalls völlig autark zu fahren. Was bedeutet das? Ich selbst habe mir als Hauptnahrung 4 Beutel Nudeln mit Bolognesesauce vorbereitet, jeweils 400 Gramm.

Kleine Muschelnudeln und eine teilweise pürierte Sauce kamen in die Verpflegungssäcke
400 Gramm Nudel Bolognese pro Sack
4 Säcke á 400 Gramm waren im Rucksack

Nachfolgend meine Nahrungspackliste:

  • 6 x PowerBar Ride Energy Riegel (Peanut Caramel / 55 Gramm)
  • 3 x PowerBar Power Gel Hydro (Orange / 67 Gramm)
  • 4 x Nudel Bolognese Sack (400 Gramm)
  • 4 x Bananen (120 Gramm)
  • Seeberger Nuts’n Berries (150 Gramm)
  • Snickers (57 Gramm)
  • PowerBar Caffeine Boost (25 Gramm)
Weitere Verpflegung im Rucksack

Das bedeutet zu Anfang der Tour hatte ich ca. 2,8 kg Nahrung im Rucksack. In Schwaz habe ich eine Frittatensuppe und ein Toast Hawaii zu mir genommen, da ich ein richtig großes, fettiges Essen vermeiden wollte. Übriggeblieben am Ende der Tour waren 1 Beutel Nudeln, 1 Power Gel, 1 Ride Energy Riegel und die Seeberger Nüsse. Wären wir also in Schwaz nicht eingekehrt, wäre wahrscheinlich nahezu nichts übrig geblieben. 

Wer die Tour mit ähnlicher „Selbstversorgerstrategie“ fahren will dem empfehle ich schon bei den Übungsrunden mit schweren Rucksäcken zu fahren. Das Gewicht Nahrung + Rest ist definitiv nicht zu unterschätzen und ein Unterschied wenn man sonst nur mit Handy in der Trikottasche fährt. Man muss sich auch nichts vormachen, mitten in der Nacht oder im Morgengrauen kalte Nudel-Bolognese aus der Tüte zu spachteln hat nichts mit Genuss zu tun. Teilweise mussten wir es runterwürgen und wirklich überwinden davon zu essen. Wir haben uns allerdings nie gemästet sondern immer zugesehen, dass man ausreichend versorgt ist ohne den Körper mit der Verdauung zu überfordern.

Rückblickend haben wir während der Fahrt nicht wenig gegessen, ich selbst bin auch ohne großes Hungergefühl am Gardasee angekommen. Wahrscheinlich hätte es auch weniger getan, aber wie gesagt, auf keinen Fall wollte ich das Risiko eingehen einen Hungerast zu bekommen.

Trinken

Jeder von uns hatte zwei 0,75 Liter Fahrradflaschen am Rahmen. Diese haben wir problemlos bis Schwaz immer wieder auffüllen können (Tankstelle oder MPreis am Achensee). Schon mit dem Wissen, dass es zwischen Auffahrt Brenner und Bozen nicht möglich sein wird weitere Getränke zu kaufen, hab ich mir am Achensee eine 0,5 Liter Flasche Cola gekauft die zunächst im Rucksack verschwand.

Einer der Vorteile einer Nachtfahrt ist, dass im Hochsommer das Dehydrierungsrisiko geringer ist. Sollte man einen Tag mit 40 Grad erwischen, gewinnt eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung elementaren Stellenwert und Priorität. Da wir es eher zu kühl und regnerisch hatten war die Flüssigkeitsversorgung kein großes Thema.

Bis auf die Cola, welche am Grenzübergang nach Italien auf dem Brenner fällig war, habe ich nur mit Wasser aufgefüllt. Abwechselnd habe ich immer eine der beiden Trinkflaschen mit einer Tablette PowerBar 5 Electrolytes – Pink Grapefruit gespickt. Man gewinnt so fortlaufend Elektrolyte zurück und außerdem beinhalten die Tabletten Koffein. Sonst habe ich vom Trinken her (Cola und Power Gels ausgenommen) auf glukosehaltiges verzichtet.

Auch wenn wir verhältnismäßig kühles Wetter hatten haben wir 2 Brunnen genutzt um unsere Flaschen aufzufüllen, da es wirklich keinerlei Möglichkeiten gab anderweitig Wasser zu holen.

Brunnen in Matrei am Brenner, Brennerstr. 46, Bäckerei Aste
Brunnen in Matrei am Brenner, Brennerstr. 46, Bäckerei Aste
Brunnen in Sterzing, Stadtplatz, Tourismusverein/Mittelschule
Brunnen in Sterzing, Stadtplatz, Tourismusverein/Mittelschule

Auf dem Etschtalradweg ab Bozen, solange er noch in Südtirol verläuft, gibt es immer wieder Wasserstellen an den Radraststellen. Mit dem Übertritt ins Trentino hören diese abrupt auf (Stand 2019). Wer sich also das Ansteuern eines Supermarktes oder einer bewirtschafteten Raststation sparen will sollte hier noch mal seine Flaschen auffüllen. Bei uns hat es dann bis zum Gardasee gereicht, weiterhin ohne Einkehr.

Am mentalen Tiefpunkt der Tour ca. 6:30Uhr auf der Höhe von Auer (Südtirol) habe ich Gebrauch von dem Koffein Shot gemacht. Ich muss sagen, dass ich diesen deutlich gemerkt habe und dieser mich auch spürbar aus dem Müdigkeitstief geholt hat. Geschmeckt hat er allerdings grauenhaft. Mein Mitstreiter Theo hatte mehr mit der Müdigkeit zu kämpfen und teilweise zwischen 5:00Uhr – 7:00Uhr sekundenschlafähnliches Verhalten. D.h. die Müdigkeit ist bei der Nachtfahrt definitiv etwas was einem das Leben schwer macht. Man sollte sich im vornherein Gedanken machen wie man das für sich am passendsten beispielsweise durch gezielte Koffeinaufnahme ausgleichen kann. Am Vortag haben wir beide ganz normal ca. 8 Stunden bis 7:00 Uhr morgens geschlafen.

Zucker

Wir haben sehr bewusst versucht auf stark glukosehaltige Getränke und Nahrungsmittel so lange wie möglich zu verzichten. Ich denke aber, dass auch dies typabhängig ist und einfach eine andere Gesamtstrategie darstellt. 

Wir hatten zu viel Respekt davor, wenn es nach stark zuckerhaltigen Nahrungsmitteln wieder nach unten geht und wieder nur mit weiterem Zucker auszugleichen ist. Wenn man allerdings die Teilnehmer bei einem Iron Man Contest sieht, muss die Glukose-Strategie ja auch irgendwie funktionieren, da dort ja eigentlich nur Gels, Riegel und glukosehaltige Getränke zu sich genommen werden. Ich selbst kenne das Gefühl allerdings sehr gut von Mittelstreckentouren wie es irgendwann schlagartig nach unten geht, sobald die Wirkung eines Gels oder Zuckergetränks verbraucht ist. Diese Erfahrung wollten wir uns ersparen. Deshalb haben wir durchgängig für einen ausgeglichen Kohlehydrat-Haushalt auf Basis von Nudel-Bolognese + Banane + Riegel gesorgt.

Letztendlich habe ich vor der Brennerauffahrt und vor der Auffahrt nach Nago (Gardasee) jeweils ein Gel zu mir genommen. Am Brenner-Grenzübergang vor der Abfahrt eine 0,5 Liter Flasche Cola und ein Snickers, was aber eher eine mentale Belohnung nach dem letzten großen Anstieg der Tour dargestellt hat. 

Die Zuckerstrategie muss jeder für sich selbst entscheiden, es empfiehlt sich aber auf den Übungstouren damit zu experimentieren. Wer tagsüber fährt ist insgesamt auch flexibler. Zum einen kann man unterwegs einkehren und zum anderen auch Nahrungsmittel nachkaufen. Wer früh mit Glukose anfängt, sollte auch genug mithaben damit es bis zum Ende reicht. Vor allem aber immer genug dazu trinken.

Einen interessanten Artikel zum Hungerast und der Zuckerversorgung gibt es bei Rennrad - Das Magazin: Gegen den Hungerast

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